Wanderausstellung „100 Jahre Strom“ zu Gast im Offenbacher Rathaus und der Region in 2019

Dr. Jürgen Eichenauer (Leiter Haus der Stadtgeschichte), Wolfgang Scheer (Verein Technikfreunde), Günther Weiß (Vorstand der EVO), Dr. Felix Schwenke (Oberbürgermeister Stadt Offenbach) und Dr. Christoph Meier (Vorstandsvorsitzender EVO) (v.l.n.r.).

Die Ausstellung zeigte wie von Offenbach aus die Elektrifizierung des Lebens im Landkreis begann. Eine entscheidende Rolle nahm dabei das ehemalige Offenbacher E-Werk am Nordring ein, wo auch heute noch die Energieversorgung Offenbach AG (EVO) ihren Sitz hat. Anschließend gingen die Tafeln und Exponate auf Rundreise durch die Region.

Es ist die Zeit von Bismarck und Bebel, als das Licht noch von rußenden Petroleumlampen gespendet wird und nur vereinzelte Gaslaternen die wichtigsten Straßen und Plätze beleuchten. In dieser beschaulichen Ordnung bricht sich mit atemberaubender Geschwindigkeit die Moderne Bahn. Weltweit sind Tüftler und Erfinder am Werk und entwickeln bahnbrechende Neuerungen – die Elektrizität an vorderster Stelle. Sie taucht die Welt binnen weniger Jahre in ein neues, permanentes Licht und wird gleichzeitig auch als verlässliche Kraftquelle für Motoren genutzt, die Industrie und Gewerbe einen nie geahnten Schub verleihen.

Die Offenbacher sehen das erste elektrische Licht während der Landesgewerbeausstellung im Dreieichpark im Jahr 1870. Doch es bleibt eine kurze Episode. So richtig beginnt das elektrische Zeitalter in der Stadt 1884 mit der elektrischen Eisenbahn von Frankfurt nach Offenbach – bis heute von den Offenbachern liebevoll-spöttisch „Knochemiehl“ genannt. Sie ist die erste, dauerhafte  deutsche Straßenbahnverbindung mit Oberleitungssystem. Ihren Strom bezieht sie von einer Maschinenstation in Oberrad.

Den ersten „Offenbacher Strom“ produziert die Augsburger Firma Riedinger (Mitbegründer von MAN) von 1890 mit Druckluftmotoren und versorgt damit die ersten Offenbacher Firmen sowie die erste elektrische Straßenbeleuchtung am Stadthaus in der Frankfurter Straße. Doch der Druckluft ist keine Zukunft beschieden. Schon nach kurzer Zeit geht das Unternehmen insolvent.

1899 beschließen die Stadtverordneten mit knapper Mehrheit den Bau eines eigenen Elektrizitätswerks  – genau dort, wo auch heute noch die EVO ihren Sitz hat. Doch erst mit der Eröffnung des Offenbacher Hafens im Jahr 1902 wird aus der „Stromerzeugung made in Offenbach“ auch ein lohnendes Geschäft: Bis dahin war der Main nur bis Frankfurt schiffbar, was den Transport von Kohle nach Offenbach und damit auch den Strom teuer macht. Im gleichen Jahr fasst die Stadtverordnetenversammlung den Beschluss, ein  neues Kraftwerk mit mehr Leistung auf einem Grundstück neben dem Gaswerk am Nordring zu bauen.

Zunächst ist der Strom – die beiden Dampfkessel leisten bescheidene 170 Kilowattstunden Gleichstrom – nur für den Hafen und das benachbarte Gaswerk gedacht. Zwei Jahre später kommt die Schraubenfabrik Gebrüder Heyne hinzu; von 1905 an wird Strom auch ins städtische Netz eingespeist. Bereits 1911 geht nach den Plänen des Darmstädter Professors Erasmus Kittler an der Andréstraße ein neues Kraftwerk mit zunächst 2000 Kilowattstunden ans Netz. Es versorgt die Offenbacher Außenbezirke und das zuvor eingemeindete Bürgel mit Drehstrom. Die Innenstadt bezieht zunächst weiterhin Gleichstrom.

Zugleich wachsen die Ambitionen, das E-Werk zur Überlandzentrale auszubauen und neben der Stadt Offenbach auch die Kreiskommunen mit elektrischem Strom zu versorgen. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 schließt das städtische Elektrizitätswerk mit 15 Kreiskommunen entsprechende Konzessionsverträge ab. Den Anfang macht die Stadt Neu-Isenburg und legt bereits 1913 ihr eigenes, kleines Kraftwerk still und bezieht als erste Kommune im Kreis fortan ihren Strom aus Offenbach.

In zwei großen Bauprojekten (1913 bis 1920 sowie ab 1922) wird die Anbindung sämtlicher Kreiskommunen an das Elektrizitätswerk akribisch geplant. Doch der Erste Weltkrieg (1914-1918) macht den Plänen einen Strich durch die Rechnung. Mit der Generalmobilmachung im August 1914 wird im Kaiserreich alles der Kriegswirtschaft untergeordnet. In Offenbach sind Kupfer und Eisen für Leitungen und Masten teilweise schon gekauft und gelagert – und müssen doch an die Rüstungswirtschaft abgeben werden.

Doch der Ausbau des überörtlichen Leitungsnetzes kommt während der Kriegsjahre nicht völlig zum Erliegen. Gerade die Industrie sucht verstärkt Anschluss an das Elektrizitätswerk, um weiter produzieren zu können. Denn aufgrund der Zwangsbewirtschaftung wichtiger Rohstoffe, wie der Kohle, können die firmeneigenen Dampfmaschinen kaum noch betrieben werden. Bereits 1917 wird deshalb das Elektrizitätswerk Offenbach über eine provisorische Leitung an das Braunkohlekraftwerk der Gewerkschaft Gustav in Dettingen (heutiger Ortsteil von Karlstein) angeschlossen, um die steigende Stromnachfrage zu befriedigen.

Richtig los ging es erst nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Eine feste Verbindung über den Main zwischen Klein- und Groß-Auheim mit dem Kraftwerk Dettingen markiert den Beginn des Verbundbetriebs. Heusenstamm und Rembrücken erhalten im Jahr 1919 erstmals elektrisches Licht aus Offenbach. In den Jahren danach wird das Stromnetz zudem mit dem Netz der Preußischen Kraftwerk Oberweser AG, der späteren PreußenElektra AG, verbunden. Der Leitungsbau im Kreis erfolgt über ein Ringleitungsnetz von Offenbach über Bieber, Heusenstamm, Dietzenbach, Langen, Sprendlingen und Neu-Isenburg zurück nach Offenbach. In Heusenstamm zweigt eine Hochspannungsleitung ab nach Rembrücken, Jügesheim  und Dudenhofen. Eine dritte Leitung verbindet Offenbach mit Mühlheim, Dietesheim, Steinheim und Seligenstadt. Bis 1925 sind nahezu alle Kreiskommunen an das Überlandwerk Offenbach angeschlossen. Doch es dauert noch bis zum Jahr 1927, bis mit Lämmerspiel auch die letzte Kommune im Kreis ihren Strom aus Offenbach bezieht.

Beitrag von Martin Ochs EVO